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Unanständig und qualitativ ungenügend

Kampagnenhafte Titelsetzung, Stimmungsmache, einseitig unkritische Berichterstattung und oft auch journalistisch unzulässige Methoden: Die Basler Zeitung (BaZ) fällt immer wieder negativ auf mit ihrer Vorgehensweise. Wer nach der Trennung von ganz schwierigen Mitarbeitern (sic) auf Besserung gehofft hatte, wird von den Chefredaktoren herb enttäuscht.

Wäre ich Esther Keller (Regierungsrätin, GLP), hätte ich die beiden Journalisten wohl nach der ersten Fragen bereits darum gebeten, mein Büro wieder zu verlassen. Was sich der BaZ-Chefredaktor Marcel Rohr und seinem Stellvertreter Markus Wüest im grossen Interview mit der Vorsteherin des Bau- und Verkehrsdepartementes leisten, ist unanständig und auch inhaltlich mehr als dürftig.

Wer den Artikel liest, wird schon bei den ersten Worten im Lead auf die fragwürdige Qualität des folgenden Interviews vorbereitet: „Kostenwucher, Baustellenexplosion“ – wer auf diese Weise ein Interview einleitet, ist ganz bestimmt nicht sachlich und fair unterwegs. Eine Aneinanderreihung von möglichst deftigen Schlagworten (im Interview wird man herausfinden, dass sie auch inhaltlich nicht gerechtfertigt sind) deutet auf Kampagnen- oder Boulevard-Journalismus hin, aber sicher nicht auf ernsthaften kritischen Qualitäts-Journalismus.

Mit der Frage (etwas verkürzt) „Sie sind seit einem Jahr im Amt, wieso haben Sie noch keine Akzente gesetzt“ beginnt das Interview. Es ist nicht meine Aufgabe, die Arbeit und die Politik von Esther Keller zu verteidigen. Ganz nüchtern stelle ich aber fest: Das ist weder ein anständiger noch ein fairer Einstieg in ein Gespräch mit einem Regierungsmitglied. Damit ist die Grundlage für ein Gespräch auf Augenhöhe von Anfang an weg. Es ist ein Beleg des in der BaZ-Chefredaktion offenbar weiter erodierenden Selbstverständnisses, was die journalistische Aufgabe und Qualität anbelangt. Auch im weiteren Verlauf des Interviews gibt es diverse saloppe, wenig anständige Fragestellungen, fast durchgehend suggestiv, nie von ernsthaftem Interesse. Beim Lesen gewinne ich das Gefühl, dass sich Rohr und Wüest in dieser Rolle gefallen, ein Mehrwert für das „Publikum“ lässt sich daraus ganz bestimmt nicht ableiten.

Als Abonnent:in der Zeitung würde es mich zudem sehr ärgern, dass die beiden Herren ganz offensichtlich äusserst schlecht informiert und vorbereitet waren. Diverse Entscheide und Projekte werden entweder dem falschen Departement, der falschen Zeit oder dem falschen Gremium zugeordnet. Die Schaffung von 4’000 Ladepunkten für E-Mobilität ist beispielsweise eine Massnahme, die der Grosse Rat gefordert und beschlossen hat – und angesiedelt ist das Projekt im Umwelt- und Energiebereich bei Departementsvorsteher Kaspar Sutter (SP), ebenso die Pflicht zur Solarstromproduktion und die Forderung, per 2035 den Betrieb fossiler Heizungen nicht mehr zu erlauben. Letzteres kommt notabene aus der Spezialkommission Klimaschutz als breit abgestützter Auftrag an die Regierung.

Mutig – um nicht zu sagen aus dem luftleeren Raum gegriffen – ist das unvermittelte ins Spiel Bringen der Idee einer fachlich absolut undenkbaren „überirdischen (sic) Ringbahn“ anstelle des geplanten Herzstücks oder auch Behauptungen wie „Fast alle sind sich einig, dass es in Basel viel zu viele Tramlinien gibt, die das Stadtbild verschandeln“. Als hätte je eine relevante Erhebung gezeigt, dass die Basler Bevölkerung grundsätzlich das Drämmli ästhetisch in Frage stellen („verschandeln“) würde. Man unterstellt der Interviewten auch mangelnde Wertschätzung der demokratischen Prozesse, unterschlägt aber beim Verweis auf „tägliches Verkehrschaos und Staus“ die zahlreichen Volksentscheide für eine Verkehrsberuhigung und -reduktion im Kanton.

Kurz: Dieses Interview ist ein Tiefschlag für all jene, die auf qualitativ wertvollen Journalismus zählen. Die Chefredaktion der BaZ täte gut daran, den politischen Akteur:innen wieder respektvoll zu begegnen und sich für die kantonale Politik auch wirklich zu interessieren.


Der Artikel steht hier als PDF zum Download bereit.

2 thoughts on “Unanständig und qualitativ ungenügend”

  1. Leider hat diese Art von „Berichterstattung“ in der BaZ Methode. Auch als Linker bin ich Kritik gegenüber offen, versuche mit meinen Argumenten zu kontern. Gerade in der Mobilitätspolitik ist der Kanton noch meilenweit von einer neuen Denkart entfernt. Benedikt Weibel hat vor kurzem in der selben Zeitung durchaus Denkanstösse vermittelt. Aber offensichtlich sind mehrere Journalisten, durchaus männlich gemeint, nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe. Auf Personen schiessen ist eben keine Grundkompetenz eines aufklärenden Journalismus.

  2. „Dieses Interview ist ein Tiefschlag für all jene, die auf qualitativ wertvollen Journalismus zählen.“ So das Fazit des Beitrags. Richtig. Wir haben in der Region und in der Stadt die bzbasel, Regionaljournal, Bajour, onlinereports, primenews, Telebasel, div. Blogs, Gemeindeanzeiger undsoweiter. Die genügen vollauf. Man braucht die BaZ gar nicht, nicht einmal als SP-Präsidentin. Sie ist wirklich überflüssig. (Die BaZ, meine ich, nicht die Präsidentin.) Und wenn man den ersten Bund trotzdem für unverzichtbar hält (z.B. wegen dem Interview mit Benedikt Weibel) – dann abonniert man besser den Tagi.

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