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Neue Fakten zur Versachlichung – und Lärmzunahme in der Nacht

Der Fluglärmbericht, den wir im Grossen Rat regelmässig zu verabschieden haben, macht deutlich: Das eingeführte Verbot von Starts nach 23 Uhr am Euroairport erzielt nicht die erhoffte Wirkung, die Anwohnenden haben wieder gleich viel Lärm wie davor. Mein Fraktionsvotum:

Der Flughafenbetrieb wird von vielen immer wieder als extrem wichtiger Wirtschaftsfaktor für unsere Region gepriesen. Auch wir wissen, dass das aus wirtschaftlicher Sicht ein Standortfaktor ist, der hilft. Und wir von der SP verschliessen trotzdem nicht die Augen davor, dass jene, die rund um den Flughafen wohnen, einer extremen Lärmbelastung ausgesetzt sind, die ihre Gesundheit kaputt macht und ihre Lebensqualität mindert. Das sind Fakten. Und entsprechend empfinden wir die euphorischen Formulierungen im Fluglärmbericht, wo von einer “Erholung” und einer “Wiedererstarkung” des Flugverkehrs die Rede ist, auch ein bisschen als Affront gegenüber jenen, die sich in puncto Lärmbelastung den Lockdown zurückwünschen. Aber dies mehr so nebenbei.

Es ist uns wichtig, die Thematik im Kontext der Jahre anzusehen. Wir haben viele Jahre dafür gekämpft – und wir tun es weiterhin – dass ein nächtliches Flugverbot umgesetzt wird. Aus Sicht der SP müsste es eine Nachtflugsperre von 23 bis 6 Uhr geben, dabei bleiben wir.

Vielleicht erinnern Sie sich: vor gut zwei Jahren wurde eingeführt, dass geplante Starts ab 23 Uhr nicht mehr erlaubt sind. Als wir im Juni 2022 den Fluglärmbericht verabschiedeten, zeigt sich schon, dass nach den ersten zwei Monaten nach Inkrafttreten dieser Massnahme die Disziplin bereits wieder merklich nachliess und es zu vielen “Ausnahmebewilligungen” kam, die dazu führten, dass es dann eben doch einfach täglich Starts nach 23 Uhr gab.

Gerne zeige ich Ihnen kurz die Statistik der Starts zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens in den letzten zwölf Monaten.


Ich weiss übrigens nicht, wieso Februar, März und April nicht verfügbar sind im online Tool… aber so oder so: Man sieht einfach: Von “keine Starts” in dieser Nachtzeit kann einfach keine Rede sein. Ich finde das schwierig!

Dabei darf nicht unerwähnt bleiben: Das sind nur die Starts. Dazu kommen noch die Landungen, die weiterhin nicht verboten sind. Und da zeigt sich eben dann noch ein anderes Bild, das wirklich alarmierend ist, Kolleginnen und Kollegen.

Ich zitiere aus der Bericht zum Jahr 2022:
“Die gemessenen Fluglärmwerte zwischen 23 und 24 Uhr waren höher als im Jahr 2021 und erreichten das Niveau der Jahre vor der Corona-Krise.” Und diese “Jahr vor der Corona-Krise”, Kolleginnen und Kollegen, das waren die Jahre, als es noch geplante Starts nach 23 Uhr gab. Und die Tendenz ist steigend. Das kann doch einfach nicht sein! Das ist ein Hohn.

Der gewünschte Effekt einer Reduktion der Lärmbelastung in der sogenannten “zweiten Nachtstunde” – also zwischen 23 und 24 Uhr ist nicht eingetreten – die Menschen haben heute also tatsächlich sogar eine höhere Belastung. Da ist dann einfach der Applaus für das eingeführte Startverbot echt unangebracht.

Sowohl die Fluglärmkommission als auch die Regierung kritisieren dies. Wir sind froh, dass das gesehen wird und bedanken uns für die deutliche Kritik.

Zu erwähnen ist hierbei auch noch, dass als “Start” eines Flugzeuges der Moment gilt, in dem die Maschine vom Gate weg geht – also nicht der eigentliche Start, nicht der Zeitpunkt, wenn der Lärm entsteht. Das ist halt einfach auch so absurd. Entsprechend wäre wohl – wenn man eine Lärmreduktion ab 23 Uhr erreichen möchte – ein Startverbot ab 22.30 Uhr zielführender.

Eigentlich könnte man sagen “so weit, so bekannt” – aber wir finden es halt wirklich wichtig, dass diese falsche Entwicklung und diese Nicht-Erreichung der definierte Ziele nicht einfach hingenommen wird. Wir schulden dies den betroffenen Anwohner:innen!

Dann noch ein paar Worte zu einem anderen Thema: Von Seite der – ich nenne es mal – Flugverkehr-Lobby wird gerne betont, dass die Zunahme der Flugverkehr wesentlich im Online-Shopping zu suchen sei und alle diese Flugzeuge dann eben von heute auf morgen Billigware liefern, die (auch) jene bestellt haben, die die Zunahme des Flugverkehrs kritisieren.

Nun: Wir haben in der UVEK zu erörtern versucht, was da dran ist. Es wurde uns berichtet, dass darüber diskutiert werde, wie Expressfrachtflüge in lärmintensiven Stunden reduziert werden könnten.

Sie können dem Bericht der UVEK entnehmen, dass wir über verschiedene Arten der Expressfracht diskutierten: Selbstverständlich sind Expressflüge, die z.B. Blutkonserven bringen und damit Leben retten anders zu bewerten, als die Lieferung eines gestern bestellten Billig-Kopfhörers oder eines vorgestern bestellten Fake-Marken-Turnschuhs. Das wäre dann nicht “Express” im Sinne der Erfinderin und des Erfinders. Diese Güter müssen auch nicht hergeflogen werden, meiner Meinung nach. Aber zurück zur Express-Frage.

Wir stellten fest, dass es keine Zahlen hierzu gibt. Wir wissen also nicht, wie viel Lärm durch Flüge für Päckli-Lieferungen des gern gescholtenen “Billig-Online-Handels” entsteht – und ob es also da tatsächlich einen Hebel gäbe.

Der Regierungsrat wird nun darum gebeten, eine Untersuchung der Zusammensetzung der Fracht zu verschiedenen Tageszeiten zu machen – weil es einer Versachlichung der Diskussion dient.
Sie können es dem Kommissionsbericht entnehmen: Dieser Entscheid fiel maximal knapp. Es dünkt mich etwas erstaunlich, dass es nicht im Interesse aller ist, die Diskussion über die Zunahme des Flugverkehrs und die guten und weniger guten Gründe dafür zu versachlichen. Denn genau darum geht es bei dieser Anregung. Wir verstehen nach wie vor nicht, wie man dagegen sein kann. Eigentlich ist der einzige plausible Grund für die Ablehnung, dass man lieber weiter polemisiert und die viel zu hohe Fluglärmbelastung, die der Gesundheit unserer Bevölkerung schadet, zumindest teilweise dem Online-Handel in die Schuhe schiebt, ohne zu wissen, ob es in diesem Bereich tatsächlich einen Hebel gäbe. Zum Glück gab es dank Stichentscheid eine Mehrheit. Wir sind gespannt auf die Zahlen und wollen gerne die Möglichkeiten einer Reduktion der Lärmbelastung anhand zusätzlicher Fakten diskutieren.