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Mundart in der Popmusik

Dass sich der Schriftsteller Pedro Lenz in der Schweiz am Sonntag der Thematik von Mundart-Liedtexten angenommen hat, freute mich sehr. Aber er hatte nicht in allen Punkten recht, wie ich fand. Meine Antwort an ihn:

Lieber Pedro Lenz

Schweizer Popmusik begleitet mich seit vielen Jahren. Als Teenager war ich noch „einfach“ ein Fan, als Radiofrau und in meiner Ausbildung zur Tonträger-Verkäuferin befasste ich mich dann auch professionell und nicht zuletzt aus kommerziellem Blickwinkel mit neuen Werken aus der einheimischen Musikfabrik. Dazu gehörte das Gölä-Konzert im Kemmeribodenbad genauso dazu wie das Gestalten vieler, vieler Sendestunden mit ausschliesslich Schweizer Musik.

Als Moderationsleiterin legte ich grossen Wert auf eine sorgfältigen Umgang mit der Sprache. „Mein“ Team von damals kann Ihnen ein (Mundart-)Lied davon singen: „Die Pflege des möglichst sauberen Dialektes ist unsere Pflicht! Wir sind in gewisser Weise Hüterinnen und Hüter der Sprache“, so lautete in etwa mein Credo. Es dürfte Sie daher nicht erstaunen, dass ich in vielen Punkte mit Ihrem Text einverstanden bin. Auch mir bereitet es fast schon körperliche Schmerzen, wenn anstelle des schweizerdeutschen „aber“ ein „doch“ bemüht wird, auch ich vertrage die Zukunftsform im Berndeutschen nicht. Aber solche Fehler gibt es nicht nur in den Liedern. Im Alltag treffen wir auch darauf. „Lernen“ ist längst gängig geworden, zum Beispiel. Ich bin froh, in Ihnen einen Leidensgenossen zu wissen.

Es ist wohl eine Tatsache, dass gerade Mundart-Liedtexte, die sich stark ans Hochdeutsche anlehnen, oft aus einer Hitschmiede kommen. Das ist verwerflich. Andererseits bekunde ich doch auch Mühe damit, wenn wir nun die Qualität der Mundart-Texte zum Mass für Schweizer Popmusik erklären. Es ist (leider) eine Tatsache, dass sich mit der höheren Mobilität auch die Dialekte vermischen. Es lässt sich nicht verhindern. Es bekommt fast schon ein übles rechtspopulistisches Gschmäckli, wenn wir die Qualität kreativen Schaffens an der Reinheit des Schweizer Dialekts messen. Ich bitte Sie, darüber nochmal nachzudenken.

Zum Schluss will ich noch eine Lanze brechen für die Musikredaktionen: Sie schreiben, diese nähmen ihre Verantwortung nicht wahr. Das finde ich eine falsche Unterstellung. Auch mich schmerzt es, dass die Radiostationen immer gleicher tönen, dass die Vielfalt gelitten hat in den letzten Jahren. ABER: Schieben Sie die Verantwortung für die mangelnde Qualität in Schweizerdeutschen Songtexten nicht an die MusikredaktorInnen ab. Deren Job ist es letztendlich, die Musik zu erkennen, die die grosse Mehrheit hören will. Und auch wenn sich alle beklagen über die „immer gleichen“ Lieder im Radio: Hören Sie sich mal ein Wunschkonzert an! Es wünschen da nämlich dann praktisch alle wieder genau diese Lieder. Und deren Potential hängt ganz bestimmt nicht von guten oder schlechten Schweizerdeutschen Reimen ab, falschen Zeitformen oder was auch immer. Es geht einzig und allein darum, ob der Song die Menschen zu berühren vermag, ob er einen Nerv trifft. Und sei es halt die Metapher vom „graue Änteli“, das zum „Schwan so wyss wie Schnee“ wird. Tant pis.

Schlussendlich ist es dann eben doch „nur“ Popmusik und nicht Literatur.

Ausser wir hören Züri West. Zum Beispiel. Aber das ist eine Ausnahme – und ein anderes Thema. 😉

Herzliche Grüsse,
Lisa Mathys.