Trotz klarer Ablehnung neuer Atomreaktoren durch die Stimmbevölkerung im Mai 2017 soll im Aargau, am Paul Scherrer Institut (PSI), ein neues Reaktormodell (“Onion Core Reactor”) getestet werden – mit unklaren Sicherheitsvorkehrungen und ungewissen Risiken (auch finanzieller Art). Wir fordern unsere kantonalen Regierungen auf, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Text von Lisa Mathys (Grossrätin SP BS) und Thomas Noack (Landrat SP BL) im „Links“ 217
Lehren aus der Vergangenheit
Die Schweiz hat bereits einen Unfall erlebt: 1969 kam es im Versuchsreaktor von Lucens zu einer Kernschmelze. Der Vorfall zeigte die Gefahren unzureichender Sicherheitsvorkehrungen auf und hatte enorme Kosten für die Allgemeinheit zur Folge. Neben den hohen Risiken, die mit jeder Nukleartechnologie einhergehen, scheint ein kostendeckender Betrieb dieses «Reaktors der Zukunft», wie er beispielsweise vom Tages-Anzeiger euphorisch genannt wurde, aufgrund der immensen Investitionskosten selbst nach erfolgreichen Tests völlig unrealistisch zu sein. In Ländern wie Dänemark erhält diese Art Reaktor wegen seines Gefährdungspotentials keine Zulassung.
Der Einsatz von flüssigem Brennstoff unterscheidet den Testreaktor von früheren Technologien mit Brennstäben. So ist zwar keine Kernschmelze mehr möglich, aber risikofrei ist dieser Test dennoch nicht! Die hohe Korrosivität des Salzgemischs stellt eine technische Herausforderung dar. Ein Leck im Reaktorsystem könnte beispielsweise zu einer unkontrollierten Freisetzung radioaktiver Substanzen führen. Zudem fehlen viele sicherheitstechnische Prüfungen, die für grössere Atomkraftwerke vorgeschrieben sind.
ENSI tappt im Dunkeln
Besonders bedenklich ist die regulatorische Situation: Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) selbst gibt zu, dass es kaum Erfahrung mit dieser Art von Reaktoren hat. Schon ein Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aus dem Jahr 2021 kritisierte die mangelnde Kontrolle von Kleinreaktoren durch das ENSI. Dennoch wird das Projekt vorangetrieben – ohne dass klar ist, ob das Aufsichtsgremium überhaupt über die nötige Expertise verfügt.
Hinzu kommt, dass Copenhagen Atomics offen zugibt, auf “aufwändige Sicherheitsdokumentationen” zu verzichten. Damit werden die Kosten für Prüfungen und Risikoanalysen auf die öffentliche Hand in der Schweiz abgewälzt. Gleichzeitig gibt es kaum Transparenz über die Lagerung und Entsorgung der radioaktiven Abfälle, die anfallen.
Zentrales Interesse unserer Region
Für die Region Basel, wenige Kilometer vom PSI entfernt, sind diese Entwicklungen besonders alarmierend. Laut den Kantonsverfassungen sind die beiden Regierung verpflichtet, sich gegen neue Atomkraftwerke in der Nähe zur Wehr zu setzen. Doch wie entschlossen werden Basel-Stadt und Baselland handeln? Wir fordern die Regierungen auf, sich klar zu positionieren! Auf nationaler Ebene stellt unsere Nationalrätin Sarah Wyss die
relevanten finanzpolitischen Fragen, birgt doch dieser Atomreaktor-Testbetrieb ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für unser ganzes Land.
Fazit: Keine Experimente mit der Sicherheit
Die Energiewende braucht nachhaltige und sichere Lösungen und entschlossene Investitionen in erneuerbare Energien – nicht fragwürdige Experimente ohne die nötigen Sicherheitsmassnahmen. Unsere Regierungen haben den klaren Auftrag, sich gegen solche Hochrisiko-Experimente zu wehren.
Ich setze mich seit fünfzig Jahren für risikoärmere Energiesysteme ein. Atomare Energiegewinnung gehört sicher nicht dazu, weder 1. noch 4. Generation. Erste Priorität geniesst für mich Einsparen, zweitens stehen diverse Alternativen zur Nuklear- und Petrolwelt zur Verfügung. Nutzen wir diese!